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Rückkehr nach Deutschland und anschließendes Exil
Nach Abschluss seiner ersten Saison entschloss sich Waghalter zur Rückkehr nach Deutschland. Er wusste nicht, was den deutschen Juden bevorstand, und konnte daher die schicksalhaften Folgen dieser Entscheidung nicht abschätzen. Dreizehn Jahre später sollte er nach Amerika zurückkehren, aber diesmal als ein Flüchtling unter vielen.
Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Deutschland zählte Waghalter zu den Dirigenten, deren Arbeiten besonders häufig aufgezeichnet wurden, und ein großer Teil dieser Studioaufnahmen ist erhalten. Er komponierte mehrere Operetten, zum Beispiel Der späte Gast, Der Weiberkrieg, Bärbel und Lord Tommy. Hinzu kamen Auftritte als Gastdirigent in ganz Europa, die Waghalter bis in die Moskauer Bolschoi-Oper führten, wo er 1930 ein halbes Jahr lang als Gastdirigent wirkte. Von 1931 bis 1932 folgte er einem Ruf nach Lettland und wurde Generalmusikdirektor der Nationaloper in Riga. Waghalter war eng befreundet mit den Komponisten Eugen d’Albert, Paul Hindemith, dem jungen Kurt Weill und Franz Schreker, den Pianisten Joseph Hoffman und Leopold Godowsky, den Sängern Richard Tauber, Leo Slezak und Joseph Schmidt, dem Theaterregisseur Max Reinhardt, und einem gewissen Amateurgeiger namens Albert Einstein. Dieser war häufig zu Gast in Waghalters Wohnung in Charlottenburg, um an einer informellen Kammermusikgruppe teilzunehmen, die Waghalter vom Klavier aus dirigierte.
Der Machtantritt der Nationalsozialisten brachte Waghalter in eine unhaltbare Lage. Im Jahr 1934 flohen er und seine Frau in die Tschechoslowakei. Dort verfasste Waghalter eine Autobiographie, „Aus dem Ghetto in die Freiheit“. Sie schließt mit den Worten:
„Das Rätsel des Schicksals stellte die Juden ewig vor neue Kämpfe, um sie zu ermahnen ..., seelisch und geistig zu stärken!
So betrete auch ich abermals fremde, mühsame Wege zum neuen, schwereren Existenzkampf. Wohin? ... Vielleicht nach ;Erez Israel’ ... oder nach dem ewig jungen Nordamerika ... Wo es auch immer sein sollte, überall möchte ich meiner Kunst und der Menschheit dienen, nach den Worten Moses: ;Du bist herausgegangen, um deinen Brüdern zu dienen.’“
Von Prag aus reiste Waghalter schließlich weiter nach Wien. Dort komponierte er eine antifaschistische Oper mit dem Titel Ahasverus und Esther. Sie basiert auf der biblischen Geschichte, an die das Purimfest erinnert: Die jüdische Prinzessin Esther vereitelt den Plan Hamans, des geistlichen Oberhaupts bei Hofe, sämtliche Juden im Reich des Perserkönigs Ahasver zu töten. Waghalter gelang kurz nach dem Anschluss im März 1938 die Flucht aus Österreich.
Waghalter, der nun auf die 60 zuging, fiel es schwer, in den USA Fuß zu fassen. Er war einer von Hunderten hoch begabter europäischer Flüchtlinge, die unvermittelt aus ihrer bisherigen Umgebung, die ihr großes Talent zu würdigen wusste, herausgerissen wurden. Waghalter versuchte sich an der Gründung eines klassischen Orchesters aus afro-amerikanischen Musikern, scheiterte jedoch an dem gesellschaftlichen Klima, das einem solchen Projekt wenig zuträglich war.
Während seiner letzten Lebensjahre wurde es einsam um Waghalter. Unter den deutschen Emigranten genoss er allerdings hohes Ansehen. Im Jahr 1940 wurde Ahasverus und Esther in New York City im Radio ausgestrahlt. Aber es gab in Amerika zu wenige Orchester für die zahlreichen talentierten Dirigenten, die aus Nazi-Deutschland geflohen waren. Waghalter setzte seine kompositorische Arbeit fort, und im Sommer 1948 wurde sein letztes Werk, die Operette Ting-Ling, in dem bekannten Theater der Künstlerstadt Ogunquit im Bundesstaat Maine aufgeführt. Am 7. April 1949, im Alter von 68 Jahren, starb Waghalter in New York überraschend an einem Herzinfarkt. Die „New York Times“ widmete ihm einen ausführlichen Nachruf, und Hunderte europäische Flüchtlinge, die ihn als Dirigenten und Komponisten verehrten, wohnten seiner Bestattung bei. Der bekannte Rabbi Joachim Prinz, der Waghalter aus Berlin kannte, hielt eine bewegende Rede. Er zeigte auf den Sarg und fragte: „Sollte dieser Sarg wirklich alles enthalten, was einst Ignatz Waghalter war? Undenkbar.“ Doch im Laufe der Zeit geriet Waghalter weitgehend in Vergessenheit.
Einigen blieb er dennoch im Gedächtnis. Im Jahr 1981 beging die Deutsche Oper als Nachfolgerin des Deutschen Opernhauses mit einem Festakt seinen 100. Geburtstag. Eine im Jahr 1925 entstandene Büste Waghalters wurde der Ausstellung der übrigen wichtigen Dirigenten hinzugefügt, die im Laufe der Jahrzehnte das Orchester des Hauses geleitet hatten. Im April 1989 führte die Deutsche Oper Waghalters Jugend in einer Konzertfassung auf.
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